Warum manche Gespräche ins Leere laufen und was das mit Ihnen zu tun hat
Stellen Sie sich folgende Szene vor:
Sie haben gerade ein Beratungsgespräch.
Jemand erzählt Ihnen von seinem Leid und auf jeden Lösungsvorschlag von Ihnen antwortet er mit einem „Ja, aber …“.
Oder er verweist ständig auf seine schwere Kindheit, seine „dunkle Seite“ oder seine angebliche Unfähigkeit, sich zu verändern.
Oder er vergisst Termine, wirkt verwirrt, stellt sich dumm, obwohl Sie wissen: Diese Person ist alles andere als dumm.
Was da passiert, ist kein Zufall. Es sind psychologische Spiele – ein Begriff, den der Psychiater Eric Berne in seinem bahnbrechenden Werk „Spiele der Erwachsenen“ (Originaltitel: Games People Play) * geprägt hat.
Berne beschreibt darin typische Kommunikationsmuster, die nach außen harmlos wirken, aber tiefgreifende, meist unbewusste psychologische Motive bedienen: Schuld abwälzen, Verantwortung vermeiden, Kontrolle gewinnen. Ohne direkt zu konfrontieren.
Klingt nach Theorie? Ist aber Alltag – im Privatleben wie im Business.
Wenn Kunden spielen: Wie sich Verantwortungslosigkeit in Verkaufsgesprächen zeigt
Wer psychologische Spiele einmal erkennt, sieht sie überall. Auch (und gerade) im beruflichen Kontext.
Viele Coaches, Berater, Therapeuten und andere Dienstleister erleben es täglich: Sie geben sich Mühe, bringen Lösungen ins Gespräch. Doch am Ende bleibt alles, wie es war. Nicht, weil Sie schlecht beraten hätten. Sondern, weil Ihr Gegenüber gar keine Entscheidung treffen wollte.
Hier sind drei typische Spielarten und wie Sie sie in Kundengesprächen erkennen.
1. Das „Ja, aber…“-Spiel im Verkaufsgespräch
→ „Ihre Methode klingt super… aber ich weiß nicht, ob ich dafür die Zeit habe.“
→ „Ich hab schon so viel probiert… aber bei mir wirkt sowas einfach nicht.“
→ „Ich finde Ihre Arbeit sehr spannend… aber ich glaube, ich bin noch nicht so weit.“
Was passiert hier wirklich?
Der/die Interessent/in sucht nach Gründen, die Entscheidung zu verschieben, ohne das direkt zuzugeben. Statt klar “Nein” zu sagen, wird eine Endlosschleife aus „Ja, aber…“ erzeugt, in der Sie die Rolle des Problemlösers übernehmen und am Ende erschöpft dastehen, ohne Auftrag.
💡 Ihre neue Strategie:
Steigen Sie früh aus dem Spiel aus.
Sagen Sie zum Beispiel:
„Ich merke, dass es für Sie Gründe gibt, sich nicht zu entscheiden, und das ist okay. Aber dann lassen Sie uns das klar benennen, statt uns im Kreis zu drehen.“
Oder, je nach Ton:
„Wissen Sie, was ich interessant finde? Dass Sie bei jedem Ja sofort ein Aber haben. Vielleicht ist es gar nicht das Angebot, sondern Ihre Angst vor Veränderung.“
2. Das „Holzbein“ im Beratungskontext
→ „Ich würde ja gern etwas ändern, aber ich hab halt dieses Trauma.“
→ „Ich hab das Gefühl, ich bin einfach zu alt / zu chaotisch / zu kaputt, um noch was aus meinem Business zu machen.“
→ „Meine Zielgruppe versteht halt meine Arbeit nicht – die ist einfach nicht bereit.“
Was passiert hier wirklich?
Ihr Gegenüber stellt seine Einschränkungen als unüberwindbare Fakten dar. So schützt er sich davor, Verantwortung für sein Wachstum zu übernehmen und zwingt Sie (unbewusst), ihn zu beweisen, dass er doch nicht so verloren ist.
💡 Ihre neue Strategie:
Statt zu motivieren oder zu überzeugen, spiegeln Sie die Dynamik.
„Das klingt so, als hätten Sie sich schon entschieden, dass es für Sie keine Lösung gibt. Möchten Sie das gerade einfach nur laut aussprechen, oder suchen Sie tatsächlich einen Weg heraus?“
Oder:
„Wenn Sie sich selbst für ungeeignet halten, kann ich Ihnen nichts verkaufen. Meine Arbeit braucht keine Perfektion, aber Bereitschaft.“
3. Das „Ich bin halt dumm“-Spiel bei der Zusammenarbeit
→ „Oh, das mit dem Onboarding hab ich überlesen – ich bin so verplant.“
→ „Ich hab den Zoom-Link irgendwie nicht gefunden – Technik ist echt nicht meins.“
→ „Ich bin halt so jemand, der dauernd was vergisst. Sie werden mich da öfter erinnern müssen.“
Was passiert hier wirklich?
Ihr Kunde inszeniert sich als unorganisiert oder unfähig, um spätere Verantwortung von sich zu weisen.
Oft charmant, oft witzig, aber mit Folgen: Sie tragen die Last.
💡 Ihre neue Strategie:
Lassen Sie das Spiel nicht durchgehen. Sagen Sie mit Klarheit:
„Ich nehme Sie ernst. Und genau deshalb spreche ich das an: Wer mit mir arbeitet, übernimmt Verantwortung. Wenn das noch nicht möglich ist, ist es vielleicht noch nicht der richtige Zeitpunkt.“
Oder – charmant, aber deutlich:
„Ich kann mit vielem arbeiten, aber nicht mit selbstgewählter Hilflosigkeit. Wollen Sie wirklich lernen, oder einfach nett aussteigen?“
Warum diese Klarheit der Beginn echter Autorität ist
Kundengespräche sind keine Bühne für Psychospiele, sondern der Ort, an dem Klarheit entsteht.
Und diese Klarheit beginnt bei Ihnen.
Je eher Sie Spielmuster erkennen, desto schneller können Sie entscheiden:
– Will dieser Mensch wirklich Hilfe?
– Oder will er sich nur durch mein Angebot bestätigen lassen, dass er ein unlösbares Problem hat?
Als Experte verkaufen Sie nicht nur Lösungen.
Sie verkaufen Verantwortung.
Wer nicht bereit ist, sie zu übernehmen, wird nie ein echter Kunde – egal wie günstig, wie freundlich oder wie geduldig Sie sind.
„Aber was, wenn der Kunde dann abspringt?“ – Die stille Angst hinter dem Schweigen
Vielleicht haben Sie sich beim Lesen gedacht:
„Ja, stimmt alles. Aber wenn ich so ehrlich bin, springen mir dann nicht die Kunden ab?“
Diese Frage ist menschlich. Und sie ist nachvollziehbar.
Doch sie ist auch die häufigste Falle für verantwortungsvolle Experten.
Denn sie führt zu einem fatalen Denkfehler:
Lieber einen schwierigen Kunden halten, als gar keinen haben.
Und dieser Gedanke ist teuer.
Nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Denn er kostet Sie Klarheit, Energie und Respekt.
Und am Ende zahlen Sie mit Ihrer Identität als Experte.
Was also tun?
💡 Der einzige Weg: Stehenbleiben, wenn andere weglaufen.
Wenn jemand abspringt, weil Sie Grenzen setzen, weil Sie das Spiel nicht mitspielen, weil Sie Verantwortung einfordern, dann ist das kein Verlust.
Betrachten Sie es als eine Filterfunktion.
→ Nicht jeder, der Interesse zeigt, ist bereit.
→ Nicht jeder, der zahlt, will sich entwickeln.
→ Nicht jeder, der bleibt, ist gut für Ihre Arbeit.
Und das ist nicht nur ein Problem für den Kunden, sondern auch für Sie.
Denn wenn Sie Ihre Zeit mit Menschen verbringen, die sich nicht verändern wollen, passiert Folgendes:
→ Sie sammeln keine echten Erfolge, über die Sie sprechen können.
→ Ihre Arbeit bleibt im Ungefähren, weil nichts in Bewegung kommt.
→ Sie erleben keine Resonanz, keine Klarheit, keine Entwicklung.
→ Und irgendwann zweifeln Sie an sich selbst – nicht, weil Sie schlecht arbeiten, sondern weil Sie sich nie wirklich zeigen können.
Das ist der perfekte Nährboden für eine stille, lähmende Frage:
„Vielleicht bin ich einfach nicht so gut, wie ich dachte?“
Aber das stimmt nicht.
Sie sind nicht „nicht gut“.
Sie arbeiten nur unter Bedingungen, die kein Wachstum zulassen.
Ohne echte Bereitschaft auf der anderen Seite können Sie Ihre Expertise nicht sichtbar machen.
Weder in Fällen.
Noch in Worten.
Noch in Wirkung.
Sie wollen nicht einfach nur Kunden.
Sie wollen Veränderung begleiten. Mit Ihrer Expertise.
Sie wollen gesehen werden. Für Ihre hervorragende Leistung.
Und das geht nur mit Menschen, die sich wirklich verändern wollen.
💬 Was Sie sagen dürfen, wenn es wackelt:
„Ich sehe, dass es gerade schwierig ist, und das ist okay.
Aber ich arbeite nicht mit Menschen, die Verantwortung abgeben.
Wenn Sie soweit sind, melden Sie sich gern wieder. Ich bin für Sie da“
Das ist kein Rauswurf.
Das ist ein Angebot an die Selbstverantwortung des anderen.
Und genau das macht Sie glaubwürdig.
Fazit: Verkaufen heißt nicht, zu überreden, sondern Spiele zu beenden
Wenn jemand ständig „Ja, aber…“ sagt, verkaufen Sie diese Person nicht mehr.
Wenn jemand sich selbst als Opfer inszeniert – coachen Sie nicht mehr.
Wenn jemand sich dumm stellt – organisieren Sie nicht mehr.
Sie sind derjenige, der führt. Nicht der Kunde.
Sie setzen Klarheit vor Nettigkeit.
Verantwortung vor Harmonie.
Entscheidungsfähigkeit vor Zustimmung.
Das ist keine Härte, sondern Ihre Größe.
Lese-Tipp: Wer mehr über diese Spiele verstehen will…
…dem empfehle ich das Buch, das die Grundlage dieses Artikels bildet:
Eric Berne. Spiele der Erwachsenen: Psychologie der menschlichen Beziehungen.
Es ist kein trockenes Fachbuch, sondern ein faszinierender Blick auf unser Kommunikationsverhalten: klug, provozierend und überraschend aktuell
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Ob Sie Coach sind, Berater:in oder einfach jemand, der weniger Drama und mehr Klarheit in Gesprächen will – dieses Buch wird Ihre Sicht auf Gespräche verändern.
Worum geht es in Eric Bernes Buch und warum betrifft es auch Sie?
In „Spiele der Erwachsenen: Psychologie der menschlichen Beziehungen“ beschreibt der Psychiater Eric Berne, wie Menschen scheinbar harmlose Gespräche führen – die in Wahrheit Machtspiele, Selbstsabotage oder Ausweichstrategien sind. Er nennt das: psychologische Spiele.
Dabei geht es nicht um manipulatives Verhalten im bösen Sinne, sondern um eingespielte Rollen, die Menschen benutzen, um unangenehmen Gefühlen, Entscheidungen oder echter Nähe auszuweichen.
Berne entschlüsselt diese Muster mit einer bestechenden Klarheit.
Beispiele wie:
- „Warum passiert das immer mir?“
- „Ich will ja, aber …“
- „Du bist schuld, dass ich das jetzt machen musste.“
…zeigen, wie tief diese Spiele in unseren Alltag eingewebt sind – ob in der Familie, in der Partnerschaft oder im Coaching-Gespräch.
Warum Sie dieses Buch lesen sollten:
Wenn Sie mit Menschen arbeiten – als Coach, Berater oder Dienstleister – dann werden Sie in diesem Buch Ihre Gesprächspartner wiedererkennen.
Und Sie lernen, sich nicht mehr in fremde Dramen hineinziehen zu lassen.
Kernsatz:
„Wer die Spiele erkennt, kann sie beenden und echte Verantwortung ermöglichen.“